1. Krefeld

Shakespeare mit Soundtrack

Shakespeare mit Soundtrack

Selten kam ein Theater-Liebespaar so aktuell jugendlich herüber wie in der Krefelder Aufführung von „Romeo und Julia“. Diese Inszenierung könnte Maßstäbe setzen.

Es war im Jahre 1596, als William Shakespeare das berühmteste Liebespaar der Welt schuf: Romeo und Julia. Wer die Inszenierung der Tragödie am Krefelder Stadttheater sieht, bemerkt die verflossenen 400 Jahre fast gar nicht. Regisseur Hüseyin Michael Cirpici hat das altehrwürdige Stück gründlich durchgerüttelt: Text gekürzt, Figuren entrümpelt, das Tempo beschleunigt. Effekt: es ist schlank und rank geworden, leicht verständlich im Handlungsablauf und spannend. Überdies hat Cipici sichtbar auf der Bühne die Musikerinnen Saskia von Klitzing und Julia Klomfaß platziert. Sie untermalen das Spiel mit dezentem „Soundtrack“. Anleihe aus der Ästhetik des Films.

Dass dieses Konzept überzeugt, ist nicht zuletzt Hauptdarsteller Jonathan Hutter zu verdanken. Lebensecht trifft der Jungschauspieler die verquirlte Wirrnis eines heutigen 16-Jährigen: diese jugendliche Unsicherheit, die von jetzt auf gleich in Unbedingtheit umschlägt; diese mangelnde Selbstkontrolle, die sich in unstillbarem Bewegungsdrang Bahn bricht. Jonathan Hutter ist ein Glücksgriff.

Zur Abrundung steckt Kostümbildner Sigi Colpe den Jungspund und Helen Wendt als Julia in Jeans und T-Shirt. Mittelalter adé. Wir befinden uns im Hier und Jetzt.

Geniale Einfachheit markiert auch die Bühne: Durch herunterhängende, bewegliche Stelen ist der Bühnenraum begrenzt und bleibt zugleich offen. Dadurch kann das Spiel im Vordergrund mit Szenen aus dem Hintergrund ergänzt werden. So bleibt auch die Weite des Raums lebendig.

Beim Zuschauer stellt sich überraschte Begeisterung ein über die jugendliche Frische dieser Aufführung. Aber auch eine bange Frage: Wie viel Abkehr von der Klassik verträgt die Sprache? Sie kommt spätestens auf, wenn die zeitgenössische, sehr flüssige Textübersetzung von Frank Günther während der Kampfszenen in unflätige Kraftausdrücke abgleitet. Denn das Theater ist nicht nur Hort des Spiels, sondern auch der Sprachkultur.

Aber dieser Ausrutscher bleibt zum Glück punktuelle Übertreibung. Insgesamt wahrt die Aufführung die Poesie dieser romantischsten Liebesgeschichte der Welt und führt sie doch stilsicher in die heutige Zeit. Eine Meisterleistung des ganzen Ensembles. Das Premierenpublikum dankte mit tosendem Applaus.

(StadtSpiegel)