1. Krefeld

Asyl-Stück: Kontroverse gegen Klischee

Asyl-Stück: Kontroverse gegen Klischee

Das mit Spannung erwartete Asyl-Stück „Kein schöner Land“ des Krefelder Stadttheaters feierte am Samstag Premiere.

Die Bühne spiegelt den realen Raum eines typischen Gemeindesaals wider: Ein Klavier in der Mitte, davor Stühle, an der Seite eine (echte) Kirchenbank.

Der Chor jedoch, der darin alte Volkslieder einstudiert, ist mit seinem Dirigenten (Jonathan Hutter) und den sechs Sängern (Esther Keil, Helen Wendt, Joachim Henschke, Ronny Tomiska, Christopher Wintgens, Michael Ophelders) im Parkett verteilt, sitzt mitten unter den Zuschauern.

Auf der Bühne agiert fast nur der schwarzhäutige Asylbewerber (Jubril Sulaimon), der eigentlich gekommen ist, um mitzusingen; statt dessen aber gestikuliert er das ganze Elend seiner Verfolgung und Flucht, inklusive Gefängnis und Folter, den wenig berührten Chormitgliedern entgegen.

Die räumliche Separierung drückt die innerliche aus: die deutschen Sänger interessieren sich kaum für Person und Erlebnisse des Flüchtlings; kritisieren kühl seine mangelnden Deutschkenntnisse.

Im Verlauf des Stücks verschwimmen die Identitäten. So wird aus dem abgestumpften Hausmeister (Michael Grosse) plötzlich die innere Stimme des Asylanten, dieser wiederum schließt unterschiedliche Personen in seiner Gestalt ein und die Sänger bilden ein Sprechkollektiv im Sinne eines altgriechischen Kommentierungschores.

Im Gegensatz zur realen Kulisse erhebt sich das Spiel damit in die Ebene der Abstraktion. Das ist formal überaus reizvoll, da der Zuschauer ständig gefordert bleibt.

Doch inhaltlich entsteht ein blutleeres Thesentheater, in dem Stichworte und Gedankenfetzen ohne rechte Handlung in den Raum gesprochen werden. Die Figuren bleiben fleischlose Karikaturen, verdichten sich nie zu Charakteren. Wo aber Menschen fehlen, da stellt sich auf Dauer Langeweile ein.

Zumal der zugrundeliegenden Textcollage das Wesentliche abgeht: die Poesie. Dafür schreitet sie wacker die Breite des Asyl- und Ausländerthemas ab. Treffendes kommt zur Sprache, auch Konträres, manches bleibt Klischee. So ist der Asylbewerber natürlich Rechtsanwalt (ausnahmsweise nicht Arzt) und der sarkastische Hitler-Gruß ins deutsche Publikum darf natürlich auch nicht fehlen.

Am Ende stehen alle Darsteller statisch in einer Reihe nebeneinander, als sei dem Spiel die Luft ausgegangen. Da tut es gut, dass der Afrikaner ins Parkett gewechselt ist und munter ein Volkslied anstimmt. So sieht Integration aus.

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Das Premierenpublikum zeigte sich von der Vorstellung begeistert, applaudierte lang und emphatisch; gut ein Viertel der Zuschauer erhob sich sogar von den Sitzen.

Dass übrigens die Theaterfiktion zuweilen von der Wirklichkeit überholt werden kann, zeigt ein denkwürdig paralleler Fall aus dem unweit gelegenen Erkelenz. Dort klopfte ein 33-jähriger Flüchtling aus Nigeria tatsächlich an die Pforte der Kirchengemeinde; und verrichtet nun regelmäßig seinen Dienst als Messdiener.

Weitere Vorstellungen:

3., 10., 12., 21. Juni; 9. Juli

Karten an der Theaterkasse, Tel.: 02151/ 805-125

(StadtSpiegel)