Krefelds DGB-Chef Ralf Köpke zur Primark-Eröffnung: "450-Euro-Jobs sind eine Sackgasse"

Wir sprachen dazu mit dem Krefelder DGB-Vorsitzenden Ralf Köpke.

Herr Köpke, Primark schafft 288 neue Arbeitsplätze in Krefeld. Davon sind 80 Prozent Teilzeitstellen oder 450-Euro-Jobs.
Wie bewerten Sie das?

Köpke Das hilft uns in Krefeld noch nicht einmal quantitativ großartig weiter im Hinblick auf den Verlust von über tausend industriellen Arbeitsplätzen in der Stadt seit über einem Jahr. Geringfügige Beschäftigung, die so genannten 450,- Euro Jobs sind eine Sackgasse, sind keine Existenzgrundlage, schaffen so gut wie keine Rentenansprüche und steigern die Kaufkraft nur unwesentlich, ähnlich sieht es bei Teilzeitstellen aus.

Wie steht es bei Primark mit der Mitbestimmung? Wird es in der Krefelder Filiale einen Betriebsrat geben?

Köpke Mit der Mitbestimmung bei Primark haben wir Gewerkschaften leidliche Erfahrungen gemacht. Da sind auch schon mal Kollegen der Gewerkschaft verdi gehindert worden, in eine Filiale zu gehen, obwohl betriebsverfassungsrechtlich verankert ist, dass Gewerkschaften ihre Mitglieder auch im Betrieb betreuen dürfen.

Inzwischen gibt es teils nach langen und schwierigen Prozessen und Auseinandersetzungen in fünf Filialen in diesem Land überhaupt erst Betriebsräte und das auch erst in jüngster Vergangenheit.

Dieser Konzern muss und wird lernen, dass Mitbestimmung und Betriebsverfassungsgesetz in diesem Lande hohe Güter sind. Ob es in Krefeld einen Betriebsrat geben wird ist natürlich noch nicht sicher. Aber wir werden die Beschäftigten informieren, aufklären und dazu ermuntern dies auch hier zu tun.

Im Krefelder Primark sollen rund 70 Kameras Kunden und Personal beobachten. Halten Sie das als Maßnahme gegen Ladendiebstahl für gerechtfertigt?

Köpke Die flächendeckende Einrichtung von Kameras und vor allem die hohe Anzahl birgt selbstverständlich die Gefahr, dass hier nicht nur Ladendiebstahl überwacht werden soll, sondern auch Kontrolle über die Beschäftigten ausgeübt werden soll.

So werden alle deutschen Primark-Läden mit Kameras überwacht — und es gibt Hinweise und den Verdacht, dass in der Vergangenheit in der größten Filiale in Hannover möglicherweise gezielt Mitarbeiter über längere Zeit überwacht worden sind.

Nach Auskunft unserer Kollegen von Verdi dort seien Kameras auch vor Personalräumen, Toiletten und Aufgängen angebracht. Damit stellt man doch die Mitarbeiter unter Generalverdacht.

Das was momentan geprüft wird, ist der Umstand, dass zeitlich begrenzte Überwachung der Belegschaft nur in Ausnahmefällen bei begründeten Verdacht gestattet ist. Eine permanente Überwachung von nicht öffentlichen Räumen ohne Grund ist dagegen verboten.

Wird der DGB sich an der Demo des Sozialbündnisses am Mittwoch um 10 Uhr beteiligen?

Köpke Der Vorstand des DGB in Krefeld hat mit Mehrheit entschieden, sich nicht an der geplanten Protestdemonstration zu beteiligen. Wir teilen inhaltlich die Kritik an dem Konzern, aber wir halten die Form des Protestes für nicht zielführend, es kann schnell der Eindruck entstehen, dass gegen die Beschäftigten oder die Kunden demonstriert wird oder man mit dem Finger auf die "bösen" Kunden zeigt.

Unsere Zielrichtung ist klar, Aufklärung, Information und im Betrieb die Organisierung der Beschäftigten sowie die Anwendung von Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung. Erst letzte Woche waren Gewerkschafter aus Bangladesch auf Einladung des DGB-Bundesvorstandes in der Bundesrepublik und berichteten über die Arbeits- und Produktionsbedingungen in den Fertigungsländern, haarsträubende Berichte über die Realität der so genannten "Verantwortung" und "Überwachung" der Produktionsbedingungen durch die Konzerne.

Die Fragen stellte Redaktionsleiter Jan Popp-Sewing